Gemeindebrief Februar 2014
„Gott nahe zu sein ist mein Glück“,
so heißt es im Psalm 73, Vers 28, und so lautet unsere Jahreslosung für das Jahr 2014. Nicht ohne Grund hat man sich dabei diesmal für die Einheitsübersetzung entschieden und nicht für den Text der Lutherbibel, denn dort heißt es: „Das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte.“ Das klingt auch schön, aber es fehlt das Wort „Glück“, das zurzeit eine Art Modewort ist. Sei es bei der Themenwoche in der ARD Ende des letzten Jahres oder in den verschiedensten Ratgebern und Lifestyle-Magazinen.
Im Studium habe ich Hebräisch gelernt und konnte mir so die Losung einmal in der Originalsprache ansehen, um herauszufinden, was dort eigentlich steht. Dabei warf ich auch einen Blick auf die umliegenden Verse, denn unsere Jahreslosung steht ja in einem ganzen Psalm, einem Gebetslied, das auch heute noch im Gottesdienst gebetet wird. Sie bildet den Abschluss dieses Psalms, der davon handelt, dass die Menschen, die sich nicht an Gott halten, scheinbar in Glück und Wohlstand leben.
Doch am Ende wird dieses scheinbare Glück keinen Bestand haben. Und im letzten Vers zieht der Beter sein Resümee: „Ich aber – die Annäherung an Gott ist gut für mich …“ so könnte es wörtlich übersetzt werden. Jetzt kann man darüber philosophieren, ob etwas, das gut für mich ist, eher mein Glück (Einheitsübersetzung) oder meine Freude (Luther) ist, oder beides. Ich finde es aber wichtig, im Hinterkopf zu behalten, was also an dieser Stelle mit „Glück“ gemeint ist: Das, was gut ist für den Menschen.
Diese Aussage ist natürlich ziemlich allgemein. Wer weiß schon immer, was gut für ihn ist? Oft wurde das Streben nach Glück mit dem Streben nach persönlichem Vorteil, Reichtum und Luxus gleichgesetzt. Aber schon Sokrates wusste, dass das nicht funktioniert. Umfragen kommen zu dem Ergebnis, dass die glücklichsten Menschen nicht die mit dem größten Wohlstand sind. Wer viel hat, will oft immer noch mehr, und es ist ja auch mühevoll, auf all das aufzupassen, was man so angesammelt hat.
Das bemerke ich zum Beispiel beim Abschließen einer Hausratversicherung oder wenn ich im Keller etwas suche. Gut für mich kann also sein, mich auf das Wichtige zu beschränken – natürlich ohne Zwang – und so den Kopf frei zu bekommen.
Das könnte bedeuten: den Keller entrümpeln, verschenken, was anderen noch nützen kann, alte Verpflichtungen überprüfen: Muss ich wirklich weiter so viele Überstunden machen? Muss ich diese Nachricht oder Mail noch heute oder überhaupt beantworten? Ist das gut für mich? Macht mich das glücklich?
Unser Propst Johann Hinrich Claussen hat übrigens seine Dissertation zum Thema „Glück“ geschrieben. Für ihn drückt sich Glück unter anderem in einem Gedicht des polnisch-litauischen Dichters Czeslaw Milosz aus, in dem es auch heißt: „Es gab kein Ding, das ich hätte haben wollen. Ich kannte niemand, den ich beneiden müsste…Ich schämte mich nicht zu denken,ich sei, wer ich bin…“ 1
Das Gedicht heißt „Gabe“, denn was hier beschrieben ist, ist keine Selbstverständlichkeit. Es ist auch kein eigener Verdienst, sondern ein Geschenk, eine Gabe also, sich so in Einklang zu fühlen mit sich selbst und mit der Welt.
Für unseren Psalmbeter bedeutet das: Offen zu werden für die Begegnung mit Gott. Gott nahe zu sein, das ist Glück. Nur im Einklang mit Gott findet er wirklichen Einklang mit der Welt und sich selbst. Und das Beste daran: Dieses Glück wird ihm einfach geschenkt. Er muss gar nichts dafür tun.
Ich wünsche uns allen in 2014 etwas von diesem geschenkten Glück, das unsere Jahreslosung verheißt.
Ihre und Eure Pastorin Ute Parra
1 Aus: Czeslaw Milosz: Gabe, aus ders.: Zeichen und Dunkel, hg. von Karl Dedecius, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1979, zitiert in: Johann Hinnrich Claussen, Gegenwindgedanken,
Mit dem Fahrrad durch das Kirchenjahr, Kreuzverlag, Freiburg im Breisgau 2012, S. 87f.